Flaschenpostohne rückschein trieb sie im wind mit briefenin eine spurlose auszeitwelche chancehatte sie über die gelben postalischen hürden zu springen mit papiertrockenen augendu hast sie dem weltoffenenmeer anvertraut buchstabenatem im zugekorkten raumfest eingerolltgewichtet für den gezeitenstrom. wenig luft blieb ihrweit aus dem fenster gelehnte träumeohne einschreiben,ohne pass und visum, überlasseneinem freundgläsernes denkmaleinem ganzen meerzu füßen gelegthütet das blaue postamt noch immer deinen nachlass
TodesstreifenKeine Sprinkleranlage ging an,wenn es brannte im lichtlosen Fleischunterm Tarnanzug.So verkehrsberuhigtwar es nirgendswo. Der Stille hier stand jeder im Weg.
Im Fadenkreuz der MenschSprengung der Versöhnungskirche in Berlin, Bernauer Str. 4, Januar 1985IGott für eine klare Sichtschneiseaus der Schusslinie gesprengt.Sein Haushat den Bodenunter den Füßen verloren.Versöhnung in die Luft geflogen.Ich sehe den Turm,wie hingerichtet,sein stürzendes Haupt.Hier haben bis zuletztdie Glocken ausgeharrt,sie konnten keinenAlarm mehr schlagen.IIWeitsichtfür die Zielfernrohre, groß genug geworden. Entzug von Hoffnung,Abrisstag für alle,die hier wohnen.Fortan kein Stundenschlag, kein Schatten mehrdes Turmes.Es kann sich keiner an das Kreuzmehr ketten.IIIZündschnurzeit, wenn eine Hand den Knopf berührt.Kein Gras kann drüber wachsen.Kein Tod mit ungestörter Durchschlafzeit,im Stein das Auferstehungszeicheneiner angehaltenen Stunde,
Bild: Dorfgasse in Quitzöbel, 1981-Manfred PietschFoto: Jürgen Schneider
Ankunft Grün die Einflugschneisezum Schwalbenbriefkastenfür die pfeilschnelleNachricht. Der Storchvom ochsenblutfarbigen Haus klappertSteine aus dem WegEr hebt den letztenEiszapfen aus den Angelnund entriegelteinem Bienenschwarmdie farbige Tür.Der Storchauf roten Stelzenmit seiner Flugantennelangweilt sich nichtauf seinem fünften Rad. Immer ruft ihn das weitherzige Grünund das Aquarell des nahen Sees.2018
Bild: Foto Reiner Müller
Verse sindVerse sind Stockwerke,es genügen zwei oder drei für ein Haus Manchmal eines Gedankens erste Etage genügt, darin zu wohnen.Niemand schreibt dir vor die Größe von Fenstern und Türen, du kannst leben in beliebiger Gegend.Du kannst beginnen einen einfachen Satz ohne Baugenehmigung, Sondergenehmigung und ohne Fragebogen.Einfacher Baugrund Papier, für jeden erschwinglich,für jeden nutzbar.Für Fehlkonstruktionen genügt ein Papierkorb, und ein neues Blatt schon wieder Beginn.
StillebenSind wir mehrals ein Fisch wenn wir schweigen? Sind wir zu oft in die Stille geflohn,in die Sprachlosigkeit?Wieviel Schuld,wieviel Nichtschuld,wenn wir Frieden suchten im Schweigen?Mit dem Herbstwind rücken die Zweifel leere Stühleder verlassene Tisch stellt unsere Fragen.aus Flugfeld für Träume, 1984
Bild: „Stilleben mit Fisch und Kristallschale, 1957Wilhelm Lachnit - aus Flugfeld für Träume
Gang nach EmmanusWie ohne Zweifel kommen,da wir Brücken stürzen sahen,über die wir eben gingen?Im Schattenunsres Argwohnsschleppten wirdie dunklen Zeitennoch einmalauf unsren Rücken,trotz der Tränen,die uns brannten,und der Schreie, die noch gellen.aus Pastorale, 1981
Bild: Gang nach Emmaus, 1918,Hans Schmidt-Rottluff - aus Pastorale
Kubistischer AktEine ungewöhnlich aufstrebende Festungist von einem Mädchenam Morgen geblieben.Aber woleuchtet ihr Herz?aus Das entfesselte Auge, 1988
Bild:Bildhauermiteinem Fischglasundkauerndem Modell,1933,PabloPicassoaus Das entfesselte Auge
SonntagDie leise uns zugeraunteFermate der Hoffnung,wenn frühmorgens die eiserne Liliean einer Wolke erblüht.Noch schlafen die Liebenden,noch schläft Notre-Dameim stillen Winkel des Sonntags. Der Maler will die Augender Palette heute ruhen lassen,doch der Geruch der Farbenstört ihn auf.Er spürt, wie die Leinwandsich spannt,sich nach einem Bild sehnt.In der Umarmungzählen wir die Narbendes Abschieds noch nicht.Über dem Strauß blühender Farben,durch Stirn und Auge,hat sich das ferne Witebskbis in die Seele gewagt.aus Fermate der Hoffnung, 2018
ВоскресеньеТихо нам прошептанафермата надежды,когда утром распускаетсяу облака железная лилия.Пока дремлят любящие,пока дремлет Notre-Dameв тихом уголке воскресенья.Сегодня художник хочет датьотдохнуть глазам палитры,но запах красоквозбуждает его.Он чувствует, как натягиваетсяхолст,по картине тоскуя.В объятиимы еще не считаемшрамы расставания.Над букетом горящих красок,сквозь лоб и глаза,далекий Витебскпроник в самую душу.Nachdichtung-Irina und York Freitag
Bild: Dimanche, 1954. Marc Chagallaus Fermate der Hoffnung
LebenLeben unbegreifbar.Gottes ausgestreckte Hand wie der Schlaf.Nicht mit Linien scharf umreißen das Rätsel Traum.Zerschnitten würden alle Bilderund ihr Geheimnis, das allein von Dauer ist.Immer träumt man allein.Jeder Traum hat ein Rätselzwischen den Lippen,wo der Atem das Ichund das Ich vermischtund die Zunge den Fingerzweig Gottes vermutet.Aus Hungrig von Träumen, 1990
Bild: Moses empfängt die Gesetztestafeln, 1956,Marc Chagall - aus Hungrig von Träumen